Die verschiedenen Formen der Impotenz
Impotenz infolge Versagens der Geschlechtsdrüse.
Die erste
Ursache der Impotenz ist das Versagen der Geschlechtsdrüse. Sendet
diese nicht genügend Hormon ins Blut, so wird das Gehirn nicht
erotisiert, es fehlt dem Leitungssystem an "Spannung", und die
Magnete im Gehirn bleiben tot: die Kugel rollt nicht ab. Die tür-
kischen Paschas liessen den Haremswächtern die Hoden abschneiden
und machten sie so impotent, damit sie mit den Frauen des Serails
keinen Geschlechtsverkehr ausüben konnten. Die Impotenz des
alternden Mannes beruht im wesentlichen auf dem Nachlassen der
Hormonproduktion durch die Geschlechtsdrüse. Spritzt man einem
Mann mit schwach gewordenen Hoden Geschlechtshormon ein, so
kehrt seine Potenz für die -- kurze -- Dauer der Hormonwirkung
wieder (Abb. 37; 1).
Eine
Klingelleitung setzt sich erst in Tätigkeit, wenn durch den Druck
auf den Knopf der Stromkreis geschlossen und der Strom zum Fliessen
gebracht wird. Auch das Potenzsystem braucht einen "Eindruck",
um in Funktion zu treten. Bei jungen und sehr potenten Männern
genügen schwache Reize; bei älteren reizgewohnten und in ihrer
Potenz schwächer gewordenen Männern sind stärkere erotische
Reize erforderlich (Abb. 37; 2).
Die eheliche Impotenz.
Das Nachlassen des erotischen Reizes
ist die Hauptursache für das Nachlassen der männlichen Potenz in
der Ehe. Der Mann gewöhnt sich an die Reize, die die Frau ihm
darzubieten hat. Gewohnheit geworden, hören sie auf, "Reize" zu
sein. Der Mann wird älter und braucht immer stärkere Reize, die
Frau wird älter und bietet immer schwächere -- in der Gleichung
der Geschlechtlichkeit entsteht ein immer grösseres Minus. Es ist
eine bekannte Tatsache, dass Männer, die ihren Ehefrauen gegenüber
längst impotent geworden sind, im Umgang mit erfahrenen Künst-
lerinnen der Liebe sich als geschlechtskräftig bewähren. Napoleon
hat den zwar frivolen, aber nicht unwahren Satz geprägt: "Der
sicherste Weg zur Impotenz ist die Treue zur Gattin." Dieser Satz
müsste nicht wahr sein, aber er ist es leider in der westlichen Welt
und wird es so lange bleiben, bis die Frau der westlichen Kultur das
vollzogen hat, was man als die "kopernikanische Umstellung" ihres
ganzen Weltbildes bezeichnen kann.
Die Verhütung der ehelichen Impotenz.
Die Frau der west-
lichen Welt muss dahin gelangen, gleich ihren Schwestern in den
östlichen Ländern die Erotik als Aufgabe und Kunst zu achten.
Sie muss einsehen lernen, dass ihre wahre Bestimmung nicht darin
liegt, an allen Künsten und Wissenschaften herumzunaschen und
gedankenlos die männlichen Leistungen nachzuäffen, sondern dass
ihr von der Natur eine ganz bestimmte, spezifisch weibliche und
ganz und gar "unmännliche" Lebenslinie vorgezeichnet ist, die sie
durchlaufen muss, um wahrhaft glücklich zu werden, und deren
Abschnitte heissen: Liebe -- Ehe -- Mutterschaft -- Kindererzie-
hung. Diese Berufung, die höher steht als jeder "Beruf", ist keineswegs
simpel, sondern mindestens so schwer und aufgabenreich wie irgend
ein männliches Gewerbe, und die Frau muss, um diese Aufgabe
wirklich zu erfüllen, die ganze Kraft und Zeit ihrer Mädchenjahre
einer entsprechenden Vorbereitung widmen.
So wie die Männer durch jahrelanges Studium zu Fachleuten
ihrer Berufe herangezogen werden, sollten die Mädchen auf "Hoch-
schulen der Frauen" für Ehe und Mutterschaft vorbereitet und mit
einem Zeugnis entlassen werden, das dem Mann die Gewissheit gibt,
nicht ein leeres und zerflattertes Geschöpf, sondern eine für die
~ehelichen Aufgaben ausreichend vorgebildete Lebensgefährtin zu
erhalten. In dieser Schule der Ehe muss die Kunst der Erotik einen
gebührenden Platz erhalten. Die Frau muss die Erotik als eine hohe
und edle Kunst achten lernen, statt sie als "unwichtig" zu ignorieren
oder gar als "Unmoral" zu verachten. Sie muss einsehen lernen, dass
ihre Stellung in der Ehe, ihre Verehrung durch den Mann, die Sicher-
heit ihrer Position als "Gattin" in hohem Mass davon abhängen, wie-
weit sie den Mann zu fesseln und zwar ständig von neuem zu fesseln
versteht. "Das Eheleben hat fortwährend mit einem Ungeheuer zu
kämpfen: der Gewohnheit" (Balzac). Den Kampf mit diesem Un-
geheuer hat die Frau zu führen ! Und hierzu hat sie eben jene erwähnte
"kopernikanische Umstellung" zu vollziehen. Sie muss sich umwenden.
Die Frau der europäischen Durchschnittsehe gleicht einem Bilde,
das mit seiner gemalten Fläche zum Fenster hinaus hängt, damit
die Aussenwelt es bewundert, wahrend die Insassen des Hauses die
beklebte Pappseite zu sehen bekommen. Sie "macht sich schön",
wenn sie ausgeht, statt sich schön zu machen, wenn sie heimge-
kommen ist (wie es die Orientalin tut); sie pudert und parfümiert
sich, wenn sie auf die Gasse läuft, während sie dem Mann zu Hause
ihre ungeschminkte Seite zeigt. Das "gute Geschirr" wird mit Argus-
augen hinter verschlossenen Eichentüren bewacht, bis "ein Gast
kommt", ein x-beliebiger, vor dem sie mit ihren schönen Sachen und
-- Reizen prunkt. "Ich muss mich doch schön machen: es kommt
Besuch~, während für den Mann das "einfache Hauskleid", das
"tägliche Geschirr" und das Hinterzimmer "genügen".
Welch ein Gesicht würde eine europäische Durchschnittsfrau
wohl machen, wenn ihr Mann eines Mittags sagte: "Heute abend
decke den Tisch mit dem guten Geschirr; stelle Blumen auf den
Tisch; lass dich frisieren und zieh das gelbe Kleid an, das dir so
prächtig steht."
"Wer kommt denn heute?"
"Ein hoher Gast, der den Anspruch erheben darf, aufs beste
empfangen zu werden, du wirst ja sehen..."
Und sie sieht. In das festlich erleuchtete Zimmer tritt der Mann
-- allein.
"Du brauchst nicht nachzusehn; es ist wirklich niemand hinter
mir, ich bin es, ich, dein höchster Gast, dein Mann."
Welch ein Gesicht würde eine europäische Durchschnittsfrau
nun wohl machen ? Und wieviel europäische Männer -- Hand aufs
Herz -- brächten den Mut auf, in ihrem eigenen Hause solch eine
Gastrolle zu spielen ? Und wieviel Ehen gibt es, in denen solch eine
Szene sich in Lust auflösen und nicht in Verstimmung enden würde ?
Die europäische Frau muss lernen, Hauskultur zu treiben; den
eigenen Mann als den begehrtesten Gast, das eigene Zimmer als
das gemütlichste Cafe und die Werbung um den Gatten als de
schönsten "Flirt" zu betrachten. Jede Menschengruppe hat das
Schicksal, das sie verdient. Die Frauen der westlichen Welt haben
so viele untreue und so früh impotente Männer, weil sie selber ihrer
wahren Berufung untreu geworden und in der Liebe impotent sind.
Impotenz durch Mangel an mechanischen Reizen.
Die Potenz
des Mannes muss nicht nur durch erotische Massnahmen vor der
Paarung seelisch angeregt, sondern auch während der Paarung selbst
durch mechanische Reizung des Gliedes angefacht werden. Auch
diese Reizung verlangt nach Intensität und Abwechslung, und auch
in dieser Hinsicht muss die Frau, namentlich in der jahrzehntelangen
Ehe, ihre strategische Kunst im Kampf mit dem Ungeheuer Lange-
weile beweisen. Daher soll sie darauf bedacht sein, ihren Geschlechts-
apparat jugendlich und reizvoll zu erhalten. Ruhige Lebensführung
während der Menstruation, ausreichende Ruhe nach Geburten und
Frühgeburten, sorgfältige Naht von Dammrissen nach der Ent-
bindung, tägliche Gymnastik auch der Beckenmuskulatur sind die
Mittel, die Scheide bis ins Alter straff zu erhalten. Hat die Scheide
sich geweitet, so kann sie durch eine einfache Operation, die aber
zur Heilung der Nähte zwei Wochen Bettruhe verlangt, wieder
beliebig gestrafft werden. Die Weitung der alternden Scheide ist
eine häufige Ursache für die Ehe-Impotenz des Mannes, und sein
Verlangen nach den hochwertigen erotischen Reizen eines jugendlich
straffen Organs ist ein nicht seltenes Motiv der ehelichen Untreue.
Impotenz durch gewohnheitsmässige Kondombenützung.
Eine
Spezialform der Impotenz beobachtet man an Männern, die gewohn-
heitsmässig jahrelang Gummipräservative (Nr. 333) benützen. Der
Gummiüberzug schwächt die Reize, die das Glied von der Scheide
empfängt, und begünstigt so die Entstehung der Impotenz. Daher
ist von der gewohnheitsmässigen Benützung von Gummikondoms im
ehelichen Verkehr abzuraten.
Impotenz durch Gehirn- und Rückenmarkerkrankungen.
Begreiflicherweise führen fast alle Gehirn- und Rückenmark-
erkrankungen, die die nervösen Leitungsbahnen zerstören, wie z. B.
die durch Syphilis hervorgerufene Rückenmarkschwindsucht (Tabes)
(Nr. 531), auch zum Erlöschen der Potenz.
Impotenz durch geistige Ueberanstrengung.
Merkwürdig, aber
allgemein bekannt sind die Gefahren, die der Potenz durch an-
gestrengte geistige Tätigkeit drohen. Eine Frau, die hohe erotische An-
sprüche stellt, soll es sich sehr wohl überlegen, ehe sie einen aus-
gesprochenen Geistesarbeiter heiratet. Seit alten Zeiten ist die liebes-
hungrige junge Frau, die an der Seite eines "Professors" wie ein
Vögelchen in einem goldenen Käfig schmachtet und sehnsuchtsvoll
in die Freiheit hinausgirrt, eine beliebte Figur des Lustspiels. Geistige
Erschöpfung macht sich oft nicht zuerst im Kopf, sondern an den
Geschlechtsorganen bemerkbar. Der Talmud sagt, dass der Mann,
der von seinem Reichtum lebt und nichts zu tun hat, seine Frau
täglich mit seiner Kraft beglücken kann; der Arbeiter soll es zweimal
in der Woche tun; vom Gelehrten aber soll die Frau nicht mehr als
wöchentlich eine Beiwohnung verlangen. Und im italienischen Volks-
mund sagt die Frau dem Mann, der sich ihr als impotent erweist:
"Lascia le donne e studia la matematica" -- lass die Frauen und
studiere Mathematik!
Impotenz durch Erschöpfung des Erektionszentrums.
Wenn
Männer ihre Geschlechtskraft -- nicht gelegentlich, sondern gewohn-
heitsmässig -- missbrauchen, z. B. in der Jugend jahrelang täglich
mehrmals Selbstbefriedigung trieben und später im Geschlechts-
verkehr sich nicht mit der natürlichen Stillung ihres Triebes be-
gnügten, sondern diesen immer wieder künstlich aufstachelten, um
"das Letzte aus sich herauszuholen", so erschöpfen sich die nervösen
Apparate in Gehirn und Rückenmark. Einen allgemein gültigen
Ma'stab für die Grenzen der Manneskraft gibt es nicht. Manche
Männer bewahren sich trotz zahllosen Ausschweifungen ihre Potenz
in unerschöpflicher Produktivität. Andere werden impotent, obwohl
sie nicht einen Bruchteil davon oder überhaupt nicht "gesündigt"
haben. Mit der Potenz ist es wie mit den Haaren: der eine behält sie,
der andere bekommt eine Glatze -- -- wer will das voraussehen,
wer das verhüten? Der Mann kann zur Erhaltung seiner Potenz
nichts anderes tun als die Grenze seiner Leistungsfähigkeit erkunden
und einzuhalten suchen. Leichte Formen der Erschöpfung lassen
sich überwinden. Eine jahrelang bestehende Impotenz ist, falls
es sich um eine echte nervöse Erschöpfung der Kategorie 4 der
Abbildung 3~ handelt, meist nicht mehr zu beseitigen -- die Feder,
die unter dem Druck der fallenden Kugel die Aderschleusen öffnet,
um die Schwellkörper zu füllen, hat ihre Elastizität verloren, und
es lässt sich keine neue einsetzen. Alle die zahlreichen, so verführerisch
angepriesenen Mittel zur Beseitigung der Impotenz sind, wie unter
Nr. 33 dargelegt, zwecklos, falls es sich um eine Erschöpfung des
Erektionszentrums handelt.
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